Rotenburg – Von Ulf Buschmann. Die Handwerker geben Vollgas. Von oben nach unten arbeiten sich die Bodenverleger durch. Die beiden Wohnungen ganz oben sind bereits mit Parkett ausgelegt. Wer dort hinein möchte, sollte entweder auf Zehenspitzen laufen oder sich jeweils eine der blauen Plastiküberzieher über die Schuhe ziehen. Besuchern reicht Astrid Schwarze-Bruns jeweils ein Paar davon. Sie ist eine der beiden Verantwortlichen für Rotenburgs erstes generationsübergreifendes Bauprojekt „LebensArt“. Im Mai sollen die Mieter dort einziehen.

Äußerlich unterscheidet sich der Neubau an der Mühlenstraße gleich hinter der Score-Tankstelle nicht von einem modernen Neubau: Zur Straße hin fällt das knallige Grün auf, an der Seite haben sich die Architekten für einen dezenten Klinkerstein als Verblender entschieden. Der Clou des Hauses steckt sowohl im Inneren als auch draußen. Denn das „LebensArt“-Haus ist nicht nur ein generationsübergreifendes. Es ist ebenso komplett barrierefrei – zum Beispiel gibt es nur ebenerdige Duschen.

Alle Wohnungen bekommen unter anderem eine Fußbodenheizung sowie eine kontrollierte Belüftung mit Wärmerückgewinnung. Damit setzen die Bauherren – die „LebensArt“ Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – nach Angaben von Schwarze-Bruns auf ökologisches Bauen. Hierzu zählt auch der Einbau einer Photovoltaik-Anlage. Was das Projekt kostet, möchte Schwarze-Bruns nicht sagen. Sie lässt nur durchblicken, dass die GbR das Projekt komplett selbst stemmen muss. Zuschüsse gebe es bis auf eine Förderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für energieeffizientes Bauen nicht.

Wer das Haus betritt, kommt vom Foyer mit Treppenhaus in den Gemeinschaftsbereich, das sogenannte Atrium. Er soll Treffpunkt und Mittelpunkt des Hauses für alle Bewohner sein. Für den Außenbereich ist eine Terrasse vorgesehen, von der jedoch noch nichts zu sehen ist. Aber Schwarze-Bruns ist sich sicher, dass ihre Fertigstellung bis zum Sommer klappt.

Erstmal nämlich müssten die Handwerker im Haus noch Gas geben. Dort sieht es größtenteils nach Rohbau aus: Die Haustechnik muss noch verschaltet und angeschlossen werden, es fehlt die Einrichtung der Badezimmer und einiges mehr. Doch Schwarze-Bruns ist guter Dinge. „Sie sollten mal sehen, wie flott die Leute arbeiten“, sagt sie lachend beim Rundgang.
Bewohner im Alter von 1,5 bis 68 Jahren

Genau 14 Leute werden im Mai in die acht Wohnungen an der Mühlenstraße einziehen. Vom Single bis zur kleinen Familie, vom Kleinkind bis zu Senioren ist alles dabei. Die jüngste Bewohnerin sei jetzt eineinhalb Jahre alt, der älteste 68. Schwarze-Bruns freut sich auf diese Mischung. Die Wohnungen für die Menschen wirken großzügig geschnitten. Durch kommt viel Tageslicht rein. Das wirkt – zumindest auf den Betrachter in unmöbliertem Zustand – hell und freundlich. Die Nutzfläche beträgt inklusive aller Wohnungen und der Gemeinschaftsflächen 700 Quadratmeter.

Auch der Außenbereich ist etwas Spezielles. Hintergrund: Das insgesamt rund 8 000 Quadratmeter große Grundstück – davon 5 000 Quadratmeter Wiese – grenzt an die Rodau-Wiedau-Niederung. Sie ist als Landschaftsschutz- und als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet ausgewiesen. Und Überschwemmungsgebiet ist dieser Bereich zudem. Dafür mussten die Planer als Schutz unter anderem einen Überflutungsteich bauen. Etwas weiter nach rechts gibt es zudem auf dem Grundstück einen Swimmingpool, der ebenfalls nach ökologischen Gesichtspunkten gestaltet wird.
Gutes Jahr für die Planung

Diese Gemengelage habe es nicht leicht gemacht, das Projekt zu realisieren, blickt Schwarze-Bruns auf die vergangenen Monate zurück. Vor allem die Genehmigungsbehörden des Landkreises hätten es ihnen nicht leicht gemacht. So ist denn laut Schwarze-Bruns ein gutes Jahr für die Planung ins Land gegangen. Die Bauzeit für das Haus selbst betrug genau ein Jahr. Rechtlich gesehen vermietet die GbR das komplette Areal an den „LebensArt“-Verein. Der wiederum vermietet die Wohnungen.

Wie sich generationsübergreifendes Wohnen realisieren lässt, haben sich die Macher an unterschiedlichen Orten angeschaut. Schwarze-Bruns nennt unter anderem Verden, Hannover, Hamburg und Dorum. Dort sind vor gut zehn Jahren die ersten derartigen Häuser entstanden – mit Erfolg. Denn: Dass mehrere Generationen unter einem Dach leben, liegt voll im Trend. Experten sehen in dieser Wohnform unter anderem ein Mittel, um die Abwanderung aus ländlichen Gebieten zumindest ein wenig zu stoppen. Sie, so die Forscher, seien ein Baustein in der Strategie, den demografischen Wandel zu bewältigen.

Doch das ist es in Rotenburg nicht allein, was Macher und Bewohner antreibt. Für sie ist die Lebensform auch eine Lebenseinstellung. Dazu gehört nicht nur ökologisches Bauen, sondern auch weitere Angebote wie Carsharing.

Quelle: Achimer Kurier